Einige Tage später, in Leermoos finden wir zum ersten Mal auf unserer Wanderung keinen Lagerplatz. Wir werden von einem Bauern zum nächsten geschickt, nirgends gibt es Platz für zwei Eselchen und ein Zelt. Gewitterwolken verdichten sich am Himmel. Eine bedrohliche Spannung liegt in der Luft. Die Wiesen rund ums Moor sind Heuwiesen. Sollen wir uns im Wald verstecken und die Esel auf der Heuwiese grasen lassen?
Da erzählt uns eine Spaziergängerin von einem Reitstall in der Nähe. „Nur noch zwei Kilometer“, reden wir unseren Eseln gut zu. Blitze zucken über den grauen Himmel, Donner grollt in der Ferne. Kaum sind wir am Reitstall, beginnt es zu schütten. Alle helfen zusammen und räumen eine Box frei. Und kurze Zeit später stehen Darinka und Ronja in einer schönen, großen Box mit frischer Einstreu und schlagen sich die Bäuche voll. „Ihr müsst unbedingt einen Tag hier bleiben, morgen Abend spielen wir Theater“, versucht Tochter Julia uns zu überreden. Am nächsten Tag schüttet es noch immer. Wir bleiben und erleben so am Abend die Aufführung, die die 10jähige Julia mit den Kindern aus der Nachbarschaft einstudiert hat.
„Das Stück handelt von zwei Mädchen, die mit ihren Eseln auf Weltreise gehen. Ich habe das Stück selbst geschrieben“, gibt Julia eine kurze Einführung. Anna und ich sehen uns irritiert an. Die Kinder hatten wochenlang dafür geprobt, wie konnte es sein… In diesem Moment betreten vier Mädchen die improvisierte Bühne. Zwei davon sind als Esel verkleidet. Die Mädchen und ihre Esel wandern von Dorf zu Dorf, auf der Suche nach einer Unterkunft. Doch bei jedem Bauernhof, an dem sie anklopfen, werden sie abgewiesen. Schließlich kommen sie zu einem Bauernhof in Leermoos. Hier dürfen sie endlich bleiben. Es regnet und die Esel fühlen sich sichtlich wohl in dem warmen, trockenen Stall. Als die beiden Mädchen am nächsten Tag weitergehen wollen, machen die Esel keinen Schritt vom Bauernhof weg. „Und so leben sie auch heute noch auf dem Bauernhof“, beendet Julia ihre Geschichte.
„Ist das nun Zufall, oder eine Botschaft für uns?“, fragt Anna, sichtlich erstaunt. „Vielleicht ist es wirklich an der Zeit aufzuhören“, antworte ich. Weit sind wir nicht gekommen, doch was spielt das für eine Rolle. Im Stall streicheln wir Ronja und Darinka. Sie haben sich vollgefressen und liegen nun zufrieden im Stroh. „Willst Du wieder nach Hause?“, flüstere ich Darinka zu. Ihre großen, dunklen Augen blicken mich fragend an. Ich werfe Anna einen Blick zu. Sie nickt. Es ist tatsächlich an der Zeit, aufzuhören.