Prolog
Mein Leben hätte auch ganz anders verlaufen können. Vor allem, wenn man in Betracht zieht, wo ich herkomme. Ich wurde in Eiersheim geboren. Die Chance, dass jemand aus Eiersheim auf große Reise geht, ist ungefähr so groß, als würde man einen Dinosaurierknochen im Vorgarten ausbuddeln. Denn warum um alles in der Welt sollte ein kleiner Hund aus Eiersheim die gesamte Strecke von Mexiko bis Alaska laufen?
Eiersheim gilt nicht gerade als Wiege großer Abenteurerinnen. Es ist ein Nest inmitten von Wiesen und Wäldern. Und so hätte auch mein Leben ganz gewöhnlich verlaufen können, ein beschauliches Vegetieren zwischen Futternapf und Kissen. Dann hätte ich heute nichts zu erzählen. Doch das Schicksal wollte es anders. Es brachte mich mit zwei sehr ungewöhnlichen Menschen zusammen, mit Sonja und Günter.
Sonja brachte mich auf die Idee, meine Memoiren zu schreiben. Sie hat bereits zwei Bücher geschrieben und darin lang und breit von ihren Abenteuern erzählt. Aber meinen Beitrag, ohne den die Reise zweifelsohne zum Scheitern verurteilt gewesen wäre, hat sie nie erwähnt. Seit neuestem hält sie Vorträge über ihre Heldentaten. Sie liebt es im Rampenlicht zu stehen und sich in ihrem Ruhm zu sonnen. Und ich? Ich bin gerade mal für den einen oder anderen Lacher gut. „Das Publikum liebt den kleinen Idefix.“ Aber nicht genug damit, dass die Zuschauer sich über mich amüsieren dürfen. Letztens dachte ich, ich traue meinen Ohren nicht. Wie so oft habe ich seelenruhig hinter dem Vorhang geschlummert, während Sonja auf der Bühne ihre Geschichten erzählte. Ich kenne sie auswendig und so habe ich nur mit halbem Ohr zugehört. Doch mein Name an ungewohnter Stelle ließ mich aufhorchen. „Leni“, sagte Sonja, „hat’s von allen am besten erwischt. Schläft am längsten, bekommt immer als Erste ihr Futter und muss überhaupt nichts arbeiten.“
Jedes einzelne Wort gelogen! Es wird wirklich höchste Zeit, die Dinge richtig zu stellen. Zum Glück sind Hunde geborene Erzähler. Vielleicht gehörst ja auch du zu den armen Kreaturen, die ihr ganzes Leben lang weder ihren Hof, geschweige denn das Land verlassen haben? Die nicht wissen, wie es ist, zu reiten, zu fliegen, Kanu zu fahren oder zu segeln? Die alt werden, ohne jemals einem Bären begegnet zu sein, mit Wölfen geheult oder Quiekser gejagt zu haben? Ich weiß, nicht jeder Hund hat es so gut erwischt wie ich.
Für euch, liebe Artgenossen, die ihr jeden Abend faul auf euren Kissen liegt, schreibe ich dieses Buch. Denn ich will euch mitnehmen, hinaus in die Welt, hinein ins Abenteuer.
Haltet die Ohren steif und die Nase unten!
Eure Leni